Alpe-Adria-Trail - Teil 8 - Sind wir am Ende?


Seltsam, wie wenig mir von dieser letzten Etappe im Gedächtnis hängen geblieben ist. Vom Vortag, da spüre ich noch heute die letzte Stunde, als wir mit müden Knochen nochmal rauf mußten, steil rauf. Aber vom letzten Tag ist nicht mehr viel übrig. Kastanienwälder, Bergabsteigen, italienische Sonne die uns im Nacken brennt.

 

Beinahe am Ziel

Nix für Heiden


Unterwegs passieren wir eine Art Heiligtum. Den Marienwallfahrtsort Castelmonte. Wie der Name sagt, ein Castel auf einem Berg. Hoch oben, schick gelegen, und schon von weitem zu sehen. Für die kleine Beichte zwischendurch, sozusagen. Schon die Reisefüher berichten allerdings davon, dass die Heiligkeit des Ortes etwas gemildert wird durch die vielen Geschäfte, in denen man sich mit Souveniers des Glaubens für teures Geld eindecken kann. Trotzdem zögere ich, als gestandener Heide und überzeugter Atheist ein wenig vor dem Eintritt. Darf ich? Nun ja, kein Donnergrollen ist zu hören, also los. Der Ausblick von hier oben, weit über die Po-Ebene, ist eine Sünde allemal wert.

 

Castelmonte

Sehr nette Wanderbekanntschaften

Ein Stück des Wegs legen wir heute zusammen mit zwei Herren um die M 60 zurück. Beide kommen aus Norddeutschland und haben das gleiche Ziel, wenngleich ihr Weg nicht wie der unserer heute endet, sondern sie bis nach Triest führen wird. Wie sollte es anders sein, drehen sich unsere Gespräche um Corona. Einer der beiden betreibt ein Laufsportgeschäft und hat sich im Lockdowm im Frühjahr über Wasser gehalten, indem er seine Stammkunden per WhatsApp über Angebote auf dem Laufenden hielt und Bestellungen entgegen nahm. Er lebte von Kundenbesuchen.

Datenschutz gegen wirtschaftliches Überleben

Streng genommen wäre das verboten gewesen. Und schlimmer noch: Unsere völlig relitätsfremden Datenschutzbestimmungen machen ihn sogar zum Straftäter. Denn WhatsApp in der Kommunikation mit Kunden einzusetzen ist zwar nicht unbedingt verboten, jedoch nur unter strengsten Auflagen zu betreiben. Die hat er natürlich nicht erfüllt. Ganz davon abgesehen, dass er freilich auch keinerlei schriftliche Einwilligung seiner Kunden dafür hatte. 


Was am Ende übrig bleibt

Wieder einmal merken wir, wie unglaublich fragil unsere Geschäftswelt geworden ist. Und das Geldverdienen für kleine Unternehmen beinahe nur noch unter Umgehung vieler Bestimmungen funktioniert. Das Budget für die eigene Rechtsabteilung haben eben nur Großunternehmen. Und genau die werden deshalb aus dieser Krise als Gewinner hervorgehen. So unsere Befürchtung.

Um uns nicht völlig den Tag zu verderben, konzentrieren wir uns bald wieder auf die Landschaft. Das Ende unserer Tour naht. Cividale del Friuli, Keltensiedlung, von Julius Cäsar zur Stadt erhoben, streckt uns seine Weinberge entgegen. Und natürlich sitzt uns das obligatorische Gewitter im Genick.

Wein und Wetter

Den Abend verbringen wir in der wunderschönen Altstadt. Und während wir unter Arkaden bei Wein und italinischem Essen die Wanderung ausklingen lassen, brechen ringsum die Wolken auseinander und ergießen alles was noch da ist über das sonnenheiße Pflaster der Altstadt. Es reicht trotzdem noch für einen Bummel durch die Geschäfte, für typisch italienische Waren und Mitbringsel. Und es gibt in Cividale noch etwas, das ich in Deutschland vergeblich suchen muss: Ein richtig gutes Hutgeschäft. 

trockene Plätze sind rar

Am Ende ein Hut, und alles ist gut

Fassungslos betrachten wir am Abend unsere Wanderschuhe, die im Hotelflur die Luft flimmern lassen. Das wars jetzt also? Sind wir am Ende? Unser Plan für 2021 ist der: Hier anknüpfen und bis Triest weiterwandern. In diesem Moment ahnen wir noch nicht, was im Winter über uns hereinbrechen wird. Jetzt, da ich dies schreibe, im Januar, scheint es kaum möglich, die Wanderung in diesem Jahr fortzusetzen. Vielleicht sogar auch im nächsten Jahr nicht. 

Wird es jemals weitergehen?

Darüber können wir traurig sein oder wütend oder enttäuscht. Aber hilft uns das weiter? Wir halten es lieber mit dem Philosophen Seneca, der von der Ruhe des Gemütes folgendes sagte:

Lasse alle deine Bemühungen zielgerichtet sein und behalte dieses Ziel im Blick. Es ist nicht falsches Handeln, das die Menschen beunruhigt, sondern falsche Vorstellungen von den Dingen, die sie um den Verstand bringen.

In diesem Sinne wünschen wir Euch für die kommenden Monate, die sicher eine Herausforderung werden, alles Gute. Hier endet unsere slowenisch/italienische Reise. Ich hoffe, meine Zeilen haben Euch ein wenig Freude und Ablenkung bringen können. 

Euer Olaf

Bleibt gesund, und vor allem: Bleibt in Bewegung. Denn Ihr wißt ja:



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