Der Kaukasus ist eine einzige Blumenwiese, durchbrochen von ein paar Gesteinsformationen. Reist man zur passenden Jahreszeit, watet man über Stunden durch Rhododendronfelder. In höheren Lagen findet sich zwischen all der Pracht manche Orchidee. Der Blumenreichtum ist so überwältigend wie die Verschwendung die damit an manchen Orten einhergeht.
Blumentod
Unser erster Gipfel ist die Thetu-Spitze, 3210 Meter hoch und oberhalb eines idyllischen Sees gelegen. Der Weg aus Dschuta hier hinauf ist machbar, der See ein beliebtes Ausflugsziel, insbesondere an Wochenenden und Feiertagen, wie es heute wohl einer ist. Das Leben pulsiert, es wird gefeiert und getrunken, die Jungen pflücken ihren Mädels Blumen und winden sie zu Kränzen. Auf dem Heimweg dann landen diese Kränze achtlos am Wegrand.Soso kocht darüber die Galle hoch. Penibel fotografiert er diese traurigen Blumenleichen, machen Kranz hebt er auf und steckt ihn ein. Zuhause arbeitet er an einer Dokumentation über diese Situation. Wenn wir alle Blumen pflücken, gibt es bald keine mehr. Und das sagt er unterwegs jedem seiner Landsleute, die er mit Blumen in der Hand oder im Haar antrifft.
Erste Nacht im Zelt
Die erste Nacht im Zelt steht an. Wir sind vom Gipfel zurück, hungrig wie kaukasische Wölfe und neugierig. Unsere Mannschaft hat die Zelte aufgebaut, auch ein Gemeinschaftszelt für die Mahlzeiten und ein Küchenzelt fürs Kochen. Dort hockt Zaza auf dem Boden, einen faltbaren Plastikhocker zwischen den Knien und schneidet für 20 Personen Gemüse. Die Suppe köchelt in zwei Töpfen über Campingkochern. So klein und provisorisch die Küche ist, Zazas Suppen sind großartig und ihr Geschmack von einem wahren Virtuosen komponiert. Hier gibt’s keine Fertigsuppen, alles wird frisch zubereitet.Duschen auf georgisch
Fast immer lagern wir an Flüssen, waschen und Zähneputzen sind also kein Problem. Und auch ohne Worte spielt sich die ganze Reise über eine Routine ein, die Männer und Frauen in getrennte „Badzimmer“ laufen lässt. Erstaunlich, denn Wegweiser gibt’s natürlich keine.Wenn ich Fluss sage, dann meine ich Gebirgsflüsse, Bergbäche, Sturzbäche, reißendes Wasser das aus der Höhe herabstürzt, aus Gletschern und Schneefelder gespeist wird und sich genau so anfühlt. Das hier ist nicht der Rhein mit Sandstrand, das hier ist die Antarktis. Und was die Wassertemperatur nicht schafft, das tut die Geschwindigkeit mit der das Zeug einem die Beine wegreißt. Das keine Eisschollen drin schwimmen, ist alles.
Kein Haar bleibt trocken
Nutzlos zu erwähnen, dass es natürlich keine Steckdosen für den Fön gibt. Erstaunlicherweise gewöhnt man sich sehr schnell an diese Situation und „badet“ mehr oder weniger genüsslich in der eiskalten Badewanne. An einem Lagerplatz tut sich eine ausgewaschene Stelle ohne Strömung auf, eine Wohltat mal richtig abzutauchen ohne gleich bis Russland fortgerissen zu werden, denn dorthin strömt all das Wasser.Während der ganzen Tour gab es nur einen Tag, an dem ich mit ungewaschenen Haaren in den Schlafsack krauche, und das nur, weils da oben gar kein Wasser gab, außer das vom Himmel. Kein Wasser ist deutlich schlimmer als kaltes Wasser.
Morgen mit Durchlauferhitzer
Die ganze Tour übrigens reißt Soso Witze über unseren jeweils nächsten Lagerplatz. Er verspricht warmes Wasser, viel wärmer als gestern. Nun ja, ein Grad mehr und sechs statt fünf Grad, das hat schon was.Wir schlafen eher schlecht. Die erste Nacht im Zelt, irgendwann tobt ein Gewitter los, wir liegen auf 2200 Meter Höhe, der Puls muß erstmal wieder runter. Am nächsten Tag wandern wir über Chaukhi-Pass zu den Abudelauri-Seen bis zum Dorf Roschka. Wir werden fast acht Stunden unterwegs sein und knapp 1200 Höhenmeter überwinden. Da wäre eine Mütze Schlaf ganz brauchbar. Oder ein eiskaltes Bad am Morgen, das kommt hier so ziemlich aufs Gleiche raus.
Wir sehen uns (irgendwann) beim Nordhessencup