Kaukasusabenteuer Teil 7 - Josef Wissarionowitsch

Willkommen in Georgien! Welcher Unterschied zu Jerewan! Ehrlich gesagt, wir sind skeptisch: Jerewan war uns tief unter die Haut gekrochen, bis ins Herz, und da steckte es noch heute. Wir waren bis zum Scheitel vollgelaufen mit armenischer Herzlichkeit und dem Charm dieser armenischen Hauptstadt mit dem französischen Flair.

Ankommen in Tbilissi

In Jerewan kamen wir im Morgengrauen an, fuhren durch die Stadt als die Sonne die Tuffsteinfassaden rot erstrahlen ließ. In Tbilissi rasen wir durch die Dunkelheit, denn selbst diese Stadt schläft irgendwann mal. In Jerewan residierten wir in einem wahren Grandhotel, das hier ist ein kleineres Haus, der Zwischenstopp für unsere Wandertour. Unser Zimmer jedoch stellt sich als riesig und mondän heraus, wir fallen in die Betten und warten darauf, dass Tbilissi uns am nächsten Morgen begeistert. Wir ahnen nicht, wie sehr wir diese Stadt unterschätzen.
Tbilissi von oben

Kein Touristennepp

Tbilissi, das ist als stehst du mit einem Bein im Orient und mit dem anderen im eigenen Wohnzimmer. So schaut es sich an, so fühlst du dich zugleich heimisch und fremd, so schmeckt Tbilissi. Die Stadt ist im Massentourismus angekommen, was man von Jerewan (noch) nicht sagen kann. Allerdings kommen die Touristen nicht unbedingt in Massen aus Europa, sondern aus arabischen Ländern. Trotzdem kann man in Tbilissi noch erstaunlich interessante Souveniers kaufen, billigen Touristenschrott muss man schon eher suchen. Eine Spezialität ist Schmuck, eine Art Keramik die aus unzähligen Lagen hauchdünner Drähte immer wieder verdichtet und zusammengelötet wird, und am Ende mit Keramik veredelt. Solch eine Arbeit wäre bei uns unbezahlbar. Und natürlich gibt es Wein in allen Facetten. Georgien ist eben das Mutterland des Weins.
Tbilissi, Eigentumswohnungen und Geschäfte

Essen als Kulturgut

Tbilissi, das ist ein architektonischer Rausch. Moderne, und zwar durchaus geschmackvolle Moderne, trifft auf Geschichte. Es gibt natürlich inzwischen ein historisches Viertel in dem kaum noch jemand lebt, weil durch die Sanierung die Häuser inzwischen recht teuer geworden sind. Das Viertel besteht weitestgehend aus Restaurants, Hotels und Hostels. Sehenswert ist es trotzdem. Wer mal was Besonderes sucht, begibt sich in die historischen Schwefelbäder. Oder geht Essen. Die georgische Küche trägt den Geschmack Europas und des Orients und mischt ihn einzigartig. Dieses kleine Land wurde so oft überrannt und jeder Eroberer ließ ein paar Rezepte zurück.

Harte Kost und schwere Verdauung

Manche allerdings schmeckten selbst den Georgiern nicht. Insbesondere an die Zeit der sowjetischen Diktatur wird eher mit Magenschmerzen gedacht. Es gibt in Tbilissi eine so interessante wie gruselige Ausstellung über die Opfer dieser Zeit. Die Zahl derer die umgebracht oder deportiert wurden ist grauenhaft hoch. In der Ausstellung kann man einen Güterwaggon betrachten, dessen Wände von Kugeln durchsiebt sind. In diesem Waggon hatte die bolschewistische Geheimpolizei georgische Patrioten und Politiker eingeschlossen und dann Maschinengewehre darauf gerichtet. Zugegeben, die Ausstellung ist, vorsichtig ausgedrückt, russlandkritisch.


Stalin

In dem Zusammenhang muss ein Wort über den (leider) berühmtesten Georgier aller Zeiten verloren werden, über einen der größten Massenmörder, einen Psychopathen, Verbrecher, Bankräumer, Mörder und Diktator: Josef Wissarionowitsch Stalin. Nein, wir haben in Georgien niemanden danach gefragt, so wie ich von Touristen nicht unbedingt nach Hitler gefragt werden möchte, weil Deutschland eben auch eine Geschichte neben dem Dritten Reich hat. Traut man den Reiseführern, sind manche Georgier der Meinung, die Russen hätten die ganzen Verbrechen verübt, Stalin habe davon nichts gewusst. Das kenne ich, Erich Honnecker und Erich Mielke waren auch völlig ahnungslos.

Stalins Fans sind selten

Zugleich aber soll in Stalins Geburtsort ein ziemlicher Hype um ihn gemacht werden, ein Museum gibt es wohl und sein persönlicher Sonderzug steht dort ausgestellt. In Reiseführern wird zuweilen von einem wahren Wallfahrtsort gesprochen. Uns jedenfalls ist Stalin nicht begegnet in Georgien. Keine Bilder von ihm, keine Portraits auf Weinflaschen und wir haben auch keine Souveniers gefunden, auf denen er irgendwie verewigt ist. Und ich finde, das ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Georgier mit diesem Tyrannen nichts mehr zu tun haben wollen.

Wir sehen uns (irgendwann) beim Nordhessencup


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