Kaukasusabenteuer Teil 6 - Auf dem Klo mit der Miliz


Vier Tage weilten wir nur in Armenien, doch waren diese vier Tage voller so wunderbarer Eindrücke, dass uns die Fahrt nach Georgien fast schwerfiel. Sollte es wirklich noch schöner werden? Sollte es! Und das beginnt schon am Bahnhof.

Alle zwei Tage von Jerewan nach Batumi

Paläste für Arbeiter

Bahnfahren in der ehemaligen Sowjetunion ist immer ein Erlebnis. Das beginnt schon mit dem Betrachten des Bahnhofsgebäudes. Hierzulande im günstigsten Fall historisch und gut restauriert, oft schlicht und praktisch, zumeist jedoch hässlich und verkommen, sind die großen Bahnhöfe auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion palastartige Bauwerke. Man nähert sich dem Bahnhof am besten zu Fuß und aus großer Entfernung, um die Grazie der Architektur zu genießen, die sich bietet. Der Höhepunkt eines solchen Genusses sind freilich die Metrostationen in Moskau. Aber auch der Bahnhof in Jerewan wäre ein Gebäude für das in Deutschland Eintritt verlangt werden könnte.

Bahnhof Jerewan
Sowjetisch reisen

Der Zug selbst stammt auch aus dieser Epoche: Einer der typischen Sowjetzüge; massiv und schwer. In jedem Waggon köchelt ein Samowar vor sich hin und eine eigene Zugbegleiterin wacht mit Argusaugen auf die Passagiere. In unserem Fall ist diesTanja, die für die Passagiere ihres Waggons Mutter wie Schließerin ist. Erster Klasse hat unser deutscher Reiseveranstalter für uns gebucht, und das heißt, in unserem Abteil sind die oberen Betten abgebaut und wir reisen kommod zu zweit durchs Land.

Samowar

Achten Sie auf den Spalt zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante

Im Nachbarabteil hockt eine Familie mit kleinen Kindern, die nach Batumi ans Meer fahren. Unser Zug fährt alle zwei Tage von Jerewan rüber in den georgischen Badeort Batumi. Wir reisen nur bis Tbilissi mit, allein diese Fahrt dauert über sechs Stunden. Das sind sechs Stunden Entschleunigung die wir mit schlafen, lesen oder Plaudereien mit den Nachbarn oder Tanja verbringen. Die weite Ebene hinter Jerewan gleicht einer Steppe, der Ararat ist zunächst immer in Sichtweite. Eine Zeitlang fahren wir an einem See entlang, durch Dörfer in denen kaum noch ein Schornstein qualmt. Das Ufer auf der anderen Seite des Sees gehört schon zur Türkei. Langsam ändert sich die Landschaft. Der weite Horizont weicht Felsen. Das Grenzgebirge zu Georgien hin passieren wir durch eine beeindruckende Schlucht. Auf Unterwegsbahnhöfen hält der Zug. Das heißt Füße vertreten, kleine Reparaturen ausführen, einkaufen und natürlich rauchen.
Achten Sie auf den Spalt zwischen Fahrzeug und Bahnsteigkante

Eigenwillige Wasserhähne

Ganze Fußballmannschaften von Kindern spielen zwischen den Gleisen Ball. Züge kommen nur sehr selten. Wenn es soweit ist, unterbricht der Bahnangestellte sein Gespräch mit den alten Männern die neben ihm auf der Bank hocken und pfeift die Kinder zurück. Steht der Zug, rennen sie unter den Fenstern entlang, sammeln Geld und Schokolade ein, die Reisende aus den Fenstern werfen.

Jeder Waggon hat natürlich eine Toilette, eine der guten alten Art der biologischen Direktentsorgung. Das Inventar ist etwas angerostet. Den Wasserhahn aufzudrehen hat keinen Sinn, aber er läßt sich etwas herausziehen, und dann spritzt das Wasser neben der Dichtung vorbei mit etwas Geschick tatsächlich größtenteils in die Hände. Der Rest geht über die Klamotten. Aber hey, es ist Sommer in Armenien, und da ist eine Abkühlung ohnehin angebracht.

Industriebraachen entlang der Strecke

Aufmachen, Polizei!

Andrea übersieht allerdings die Toilettentür und sucht im nächsten Waggon weiter. Von dort verjagt sie der verantwortliche Aufseher. Auf dem Rückweg findet sie das Gesuchte, hat sich auch eben in die gewünschte Position begeben, als es brachial an die Tür hämmert und sie selbst ohne Armenischkenntnisse begreift, dass da nicht nur einfach mal jemand dringend aufs Klo muss. In der Aufregung bekommt sie die Tür nicht auf, und als es endlich gelingt, auch weil von außen gedrückt wird, rammt sie fast mit Tanja zusammen, hinter der die Miliz steht, auf der Suche nach Schwarzfahrern. Die Aufsicht aus dem Nachbarwaggon hat doch tatsächlich die Polizei gerufen! Sicherer sind wir noch nie gereist.

Grenzkontrollen

Das Ganze endet in einem großen Gelächter und für den Rest der Fahrt genießen wir die besonders nette Bedienung durch unsere Zugbegleitung.

Mitten in der Nacht kommt der Zug an der armenisch-georgischen Grenze zum Stehen. Der Bahnsteig wimmelt von Zoll und Militär. Mit Suchhunden wir der Zug abgegangen, Polizei besucht jedes Abteil. Das Prozedere zieht sich orientalisch hin. Irgendwann ein Pfiff und es geht weiter, aber nicht weit. Tanja sammelt unsere Pässe ein. Auf der anderen Seite der Grenze steigt der georgische Zoll zu. Die Jungs blicken streng aus ihren Uniformen und jeder einzelne Reisende wird in Tanjas Abteil zur Passkontrolle geführt. Ein paar Formalitäten, dann wird der Stahlblick zu einem Lächeln:

Herzlich willkommen in Georgien!

Das Abenteuer kann beginnen . Wir sind da. Im Land des Weins! In Tbilissi wartet tatsächlich unser Hoteltransfer auf uns. Das Abenteuer Kaukasus kann beginnen.


Wir sehen uns (irgendwann) beim Nordhessencup

Olaf

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