Kaukasusabenteuer Teil 2 - Im Schwarztaxi nach Jerewan


So landen wir also dank Wladimir einige Stunden verspätet in Jerewan und suchen vergeblich all die hochgehaltenen Schilder nach unseren Namen ab. Unser Hoteltransfer hat Feierabend gemacht, oder nach langem Warten eine profitable Tour abgreifen können. Die Halle des Flughafens leert sich.

Eingang mit Schwierigkeiten

Armenische Diaspora

Ringsum liegen sich die Menschen in den Armen. Nur drei Millionen Armenier leben in Armenien, aber ca. sechs Millionen leben in der Welt verstreut. Unter anderem Arthur Abraham, Andre Agassi, Charles Aznavour, Kim Kardashian – Namen die jeder kennt. Die Armenier sind eine der größten Diasporagruppen die es gibt. Und nun ist Sommer, da kommen die Familien zusammen um zu feiern, zu trauern, zu heiraten, den Sommer gemeinsam zu verleben. Freudentränen fließen, die Menschen sprudeln über vor aufgesparten Worten. Es ist wie eine Symphonie, und wir sind nur Zuhörer. Der uns begrüßen sollte, gegen Honorar, hat sich davongemacht. Wie gelangen wir nun in die Stadt hinein?



Was tun?

Die Sonne ist eben erst aufgegangen, wir sind seit 24 Stunden auf den Beinen und so fühlen wir uns auch. Nebenbei haben wir natürlich nur Euros in der Tasche, keine Landeswährung.

In allen Reiseführern über Armenien wird dringend davor gewarnt mit Schwarztaxen durchs Land zu fahren. Zu teuer, unzuverlässig, oft noch anmaßend im Ton. Gleiches steht übrigens in den Reiseführern über Georgien. Wir haben andere Erfahrungen gemacht, in beiden Ländern, aber vielleicht hatten wir Glück. Und zum Thema „zu teuer“: Ich hab mich in Tbilissi am Ende in Grund und Boden geschämt als mir bewußt wurde, das ich den Taxifahrer gerade auf insgesamt drei Euro runtergehandelt hatte. Was in Reiseführern als zu teuer beschrieben wird, ist für uns oft nur ein Trinkgeld.

Headhunter am Flughafen

Endlich spricht uns ein junger Mann an, auf Englisch. Eine Art Aufreißer für Schwarztaxis. Wir haben unsere Reiseführer gründlich gelesen und schicken ihn natürlich weg, und dann gleich noch einmal. Und dann wieder. Dummerweise stehen wir aber immer noch in der gleichen Flughafenhalle, und die hat sich keinen Meter in Richtung Stadt bewegt. Als sich an dieser Situation offensichtlich nichts ändert, geben wir dem ausdauernden Kerl eine Chance in Form eines Kurzbriefings. Und dann ruft er im Hotel an, oder er telefoniert mit dem Schwager des Bruders seiner Mutter über die Preise für Selbstgebrannten, wie sollen wir das unterscheiden? Unser Wortschatz im Armeinischen an den Tag: Null.

Platz der Republik in Jerewan

Westeuropäische Dekadenz

Unser Transfer ist fort, sagt er. Nun ja, dass wir nicht im falschen Land gelandet sind, wissen wir schon. Weiter? Er meint, der war schon früher da, aber wir kamen nicht, und da ist er abgehauen. Scheint so, als sei der Schwager des Bruders seiner Mutter sehr gut unterrichtet. Nun, er biete uns für 20 Euro die Fahrt in die Stadt. Und jetzt kommt der lächerliche Teil, der westeuropäisch dekadente Teil, der beschämende Teil, denn wir haben ja unsere Reiseführer gelesen: Wir fragen dreimal, viermal, fünfmal nach. 20 Euro, für uns beide zusammen, und das ist alles, keine Nachzahlungen, Zusatzzahlungen??

Reichtum und Armut

Manchmal träume ich: Ich stehe vor einem Bahnhof und biete Führungen an. Reisende aus einem Land kommen an, Menschen die im Monat etwa das 20 bis 40-fache meines Einkommens nach Hause schleppen. Und wenn ich dann meinen Preis nenne, diese lächerlichen Krümel, diese paar Kröten die sie immer lose in der Hosentasche herumliegen haben, dann beginnen sie zu feilschen und zu jammern. Meist wache ich dann auf.

Also gut, 20 Euro, weil wir müde sind. Und weil der Flughafen sich nicht in Richtung Stadt bewegt. Wir folgen dem Jungen vor die Halle, er winkt einen älteren Mann heran, und gemeinsam schleppen sie unsere Taschen zu einem Mercedes.



Beklauen die uns jetzt?

Panik: Die werden doch jetzt nicht mit unseren Taschen abhauen? Wie sagt man Polizei auf armenisch? Doch nun werden wir freundlich zum Einsteigen aufgefordert, zahlen dem Jungen seine 20 Euro, die er brav mit dem Fahrer teilt, und ab geht’s.

Der Fahrer spricht kein Englisch, aber diese Generation spricht russisch, und ich auch. Also wächst uns Jerewan entgegen, die Stadt aus Tuffstein, aus der Ferne schimmert sie uns entgegen. Wir plaudern mit dem Fahrer, er erzählt von seinen Kindern, von seiner richtigen Arbeit, die er gegen diese profitablere eingetauscht habe.

Jerewan - Jerewan

Wir rauschen durch den Morgen, die Straßen schlafen noch, tief steht die Sonne und strahlt die Häuser an, die Monumente, die Denkmäler. Größer wird es, höher, und irgendwie weht uns ein Hauch Geschichte um die Nase. Jerewan ist charmant, lebendig, grün. Und dann stehen wir vor unserem Hotel, mitten in der Stadt. Eine Allee aus alten Bäumen, freundliche Kofferträger. Inzwischen hab ich auf Urlaubsmodus umgeschaltet, der Fahrer bekommt zehn Euro Trinkgeld. In der Hotellobby wird morgen Lusine auf uns warten. Für die nächsten zwei Stunden allerdings fallen wir in die Betten und träumen von Wladimir Putin. Immerhin verdanken wir ihm dieses erste kleine Abenteuer zum Beginn unseres Urlaubs. Irgendwann muss ich mich mal persönlich bei ihm bedanken.

Wir sehen uns (irgendwann) beim Nordhessencup

Olaf

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