Erst nach und nach fällt uns auf, wie sauber diese Stadt
ist. Nirgendwo fliegt Papier herum oder Plastikmüll, keine leeren Flaschen am
Straßenrand, keine Überbleibsel vom letzten Gassigang, der ganze Park ein Meer
aus Blumenbeeten. Es gibt einen schicken Boulevard mit schnuckeligen Cafes und
Restaurants. Wir fühlen uns ein wenig wie Prominente, als uns beim Besuch des
"Greenwich Cafe" die Bedienung fragt, ob sie uns für den
Instagramauftritt des Restaurants fotografieren darf.
Z-Promis
Sofort wurden Köchin und
Bedienung herbeizitiert und wir durften posieren. Das Essen war übrigens fantastisch.
Wir schlendern weiter, stopfen uns an jeder Ecke mit leckerem, russischen Eis
voll.
Klar gibt es die bröckelnden Fassaden, die Wohnsilos aus der Sowjetzeit. Aber im Großen und Ganzen sticht Naltschik deutlich gegen das ab, was wir in Russland bislang zu sehen bekamen.
In einem Geschäft für Outdoor- oder Wanderbekleidung werden wir herzlichst mit Handschlag in Muttersprache begrüßt. Andrea trägt ihr T-Shirt vom Rennsteiglauf, wir könnten auch mit einer Deutschlandfahne über den Schultern herumlaufen. Der Besitzer des Geschäftes hat deutsch studiert und spricht fließend unsere Sprache. Wir erklären woher wir kommen, was wir hier tun und wie die vergangenen Tagen waren. Skeptisch schaut uns der Mann an: Und, wie finden Sie es hier? Es ist sehr häßlich, nicht wahr? Wir sind furchtbar rückständig, sagt er, kein schönes Land.
Klar gibt es die bröckelnden Fassaden, die Wohnsilos aus der Sowjetzeit. Aber im Großen und Ganzen sticht Naltschik deutlich gegen das ab, was wir in Russland bislang zu sehen bekamen.
In einem Geschäft für Outdoor- oder Wanderbekleidung werden wir herzlichst mit Handschlag in Muttersprache begrüßt. Andrea trägt ihr T-Shirt vom Rennsteiglauf, wir könnten auch mit einer Deutschlandfahne über den Schultern herumlaufen. Der Besitzer des Geschäftes hat deutsch studiert und spricht fließend unsere Sprache. Wir erklären woher wir kommen, was wir hier tun und wie die vergangenen Tagen waren. Skeptisch schaut uns der Mann an: Und, wie finden Sie es hier? Es ist sehr häßlich, nicht wahr? Wir sind furchtbar rückständig, sagt er, kein schönes Land.
Es entsteht der Eindruck, er schäme sich. Vielleicht
weniger wegen der Hochhausfassaden, sondern wegen der Fassade der Politik? Aber
das ist Spekulation.
Alles Ansichtssache
Nein, hässlich finden wir es gar nicht, beteuern wir.
Natürlich, es ist nicht Wien oder Paris, aber darum geht es doch gar nicht. Uns
ist, wo auch immer, noch nie ein Ladenbesitzer entgegengelaufen, um uns persönlich
mit Handschlag zu begrüßen. Außer im Kosovo vielleicht...
Wir bummeln weiter. Was wir noch brauchen sind Briefmarken,
und deshalb steuern wir die Hauptpost an. Ja, das ist noch ein Postgebäude:
Unzählige Schalter, unterleibslose Postassistentinnen hinter fingerdicken
Glasscheiben, und über allem hängt der Geruch nach Bohnerwachs. Vor allem aber:
Der typische russische Aufseher im öffentlichen Amt. Angetan mit Uniform, zwei
Sterne auf den Schulterstücken, hockt er hinter seinem Tisch in der Halle und
hält allein durch seine physische Gegenwart Ordnung und Sicherheit im
Hauptpostgebäude der Provinzkapitale Naltschik aufrecht, wenn er nicht eben vor
Langeweile gähnt.
Verkehrsberuhigte Zon |
Der Postmeister von Naltschik
Jetzt aber sind wir da. Und als er uns ratlos da
herumstehen sieht, ist er sofort zur Stelle und grinst breit als herauskommt: Zwei
Deutsche, davon einer mit rudimentären Russischkenntnissen. Sofort werden wir
adoptiert und zu diversen Schaltern gezerrt, um uns zu den bitter benötigten
Briefmarken zu verhelfen. Dass die Karten wahrscheinlich Wochen nach uns in
Deutschland ankommen werden, zählt im Moment nicht. Nach einigen Versuchen
landen wir am richtigen Schalter. Die unterleiblose Postassistentin wickelt da
eben noch eine verzwickte Sache mit der Kundin ab, die schon geraume Zeit vor
diesem Schalter wohnt. Das unser neuer Freund die Frau nicht verjagt...
Deutlich trommelt er mit den Fingern auf den Tresen und setzt seinen amtlichen
Blick auf, das alles dauert ihm viel zu lange. Inzwischen erzählt er uns, dass
er seinen Militärdienst in Riga abgeleistet hat und einmal mit dem Zug nach
Deutschland zum Manöver gefahren sei. Das muss lange her sein, macht aber nichts,
es scheint ihm gefallen zu haben.
Das Weiße Haus von Naltschik |
Von Mensch zu Mensch
Noch viel mehr erzählt er uns, ich verstehe
nicht die Hälfte davon, bin aber doch gerührt von seinen Bemühungen. Irgendwie
sind wir in Russland noch nie angemacht worden. Die einzigen die sich anmachen,
sind die Politiker. Vielleicht sollten die mal im jeweils anderen Land
Briefmarken kaufen.
Endlich dürfen wir die Briefmarken aussuchen. Sie sollen
natürlich besonders schön sein, bestimmt der diensthabende Amtmann. Womöglich
gäbe es auch eine einzige Marke zu 70 Rubel? Papper-lapapp: Wir sollen doch die
schönsten Motive nehmen. Also stückeln sie uns die 70 Rubel aus drei Marken mit
verschiedenen Motiven zusammen. Die Karten liegen fix und fertig geschrieben
seit einer Woche in unserer Tasche, und nun müssen wir Teile der Grüße mit
Briefmarken überkleben, weil der Platz nicht ausreicht. Zum Abschied noch ein
Foto. Und natürlich, wiederkommen sollen wir!
Ach Russland, was sollen wir nur mit dir anfangen? Wenn
man einmal über deine kalte Schulter hinweg in dein Herz gefunden hat, lässt du
einen nicht mehr hinaus.