Sonnenaufgang |
Taxi nach Pastuchov
Das
Fahrgeld für Sultan stecke ich in den Handschuh und dann stehe ich draußen und
gehe in Richtung Pistenraupen.
Meine Mitfahrgelegenheit parkt schon da. Die Bergführerin
ist Deutsche, spricht aber englisch mit ihrer Gruppe, und zwar in militärischem
Ton. Punkt zwei Uhr röhrt die Maschine auf und es geht hoch, wie vergangene
Nacht schon. Ringsum starten andere Raupen, das Wetter lockt Massen an
Touristen an den Berg. Und ich meine in der Tat Touristen. Vor Pastuchov
überholt uns eine andere Pistenraupe. Sultan stoppt. Der Wendeplatz ist
besetzt, wir müssen hier schon raus. Ich hab aber bis oben bezahlt!
Basislager |
Guys, Guys, Guys!
Es nützt
nichts, runter, in die Reihe und los. Die Bergführerin ordnet ihre Schäfchen
nach Leistungsstärke, es scheint da einen Problemfall namens David zu geben,
den sie direkt hinter sich haben will. Dann startet mein Projekt Elbrus endlich
mit dem ersten Schritt und ich merke gleich, es startet unendlich langsam. Wie
in Zeitlupe kriechen wir im Zickzack den Gletscher hinauf. Bis Pastuchov
brauchen wir sicher mehr als 30 Minuten. Im Licht der Stirnlampe sehe ich nur
Stiefel und Beine und Schnee, es ist furchtbar öde und langweilig. Hier oben
ist es deutlich kälter als an den Botchis, an freien Stellen im Gesicht ist das
deutlich zu spüren. Doch es ist windstill und gut zu ertragen. Wir schleichen
von Pastuchov weiter den Gletscher hinauf, im Zickzackkurs. Links und rechts
überholen sie uns. Auf den Sonnenaufgang warte ich sehnsüchtig, denn dann gehe
ich allein weiter, so ist es abgemacht.
alles bewohnt |
Wetterglück und Dankbarkeit
Irgendwann färbt sich rechts der Rand des Weltalls leicht
hellblau, dann zart rosa. Es dämmert. Bald schon wird die Sonne die Gipfel
ringsum rot ausleuchten und der Himmel wird sich ein Band aus Türkis und Blau
um die Stirn legen, während über uns noch die Sterne leuchten. In diesem Moment
bin ich dankbar: Weil ich dieses Wunder an zwei Tagen nacheinander sehen darf,
weil das Wetter so unsäglich gut zu mir ist, weil diese Gruppe mich mitnimmt,
obwohl sie mich nicht kennt, weil die Bergführerin diese Verantwortung
übernommen hat, weil Oleg mir diese Chance besorgt hat - auch gegen den Willen
unseres deutschen Bergführers. Und ich schäme mich: Weil ich seit dem Start
innerlich am Tempo der Gruppe herumnörgele, obwohl ich sie nicht kenne, nichts
von ihnen weiß, ihre Geschichte und ihr Leistungsvermögen nicht einschätzen
kann. Was bin ich nur für ein Gast?
Am Rastplatz Pistenraupenruine bedanke und verabschiede
ich mich. Ich bin jetzt etwas über 5000 Meter hoch und gehe allein weiter. Oleg
setzte großes Vertrauen in mich und ließ mich allein gehen. Was ich nicht weiß,
ist: Unten im Tal sitzt Sultan in seiner Pistenraupe und richtet sein Fernglas
auf meine rote Jacke, solang sie aus dem Tal heraus zu sehen ist.
Noch bin ich nicht oben. Wie es weitergeht, lest Ihr nächste Woche
Euer Olaf