Elbrusgletscher |
Schlaflos im Kaukasus
Alle halbe Stunde schaue ich auf die Uhr, als
wenn die Zeit mir einen Gefallen schulden würde. Die anderen scheinen zu
schlafen, zumindest bis dieses Handy bimmelt. Den Klingelton kenne ich nicht, bis
aus dem Raum der Hinweis kommt, das sei Olegs Handy, meine Notfallleitung für
den Aufstieg in dieser Nacht. Schnell zerre ich es aus der Tasche und schaffe
Ruhe. Ja, ich darf nochmal hoch, und ich freue mich darauf. Wenn man auf diesen
Pritschen wenigstens liegen könnte!
Gegen 23:30 Uhr rüsten sich die fünf Jungs aus der
Nachbartonne zum Abmarsch. Ich höre ihre Schritte, das Kratzen der Steigeisen
auf dem Beton. Und ich bedauere mich ein wenig, was für eine Herausforderung!
Noch eineinhalb Stunden. Eigentlich könnte ich ja länger
liegen bleiben, Sultan startet seine Pistenraupe erst um zwei Uhr. Aber das
Frühstück ist für ein Uhr mit Galina abgesprochen, sie steht extra für mich
allein auf. Darf man das um die Uhrzeit Frühstück nennen?
Generator |
An welchen Sch... man so denken muss!
Wenn man so herumliegt und keine Chance auf Schlaf findet,
kreist das Hirn um jeden Mist. Angst zum Beispiel. Weder die Höhe noch die
Kälte machen mich nervös, ein gewisses Vertrauen in die Fähigkeiten meines
Körpers hab ich ja. Zumindest in die, die ich kontrollieren kann. Es gibt aber
Dinge die laufen ohne meine Kontrolle ab, Verdauung zum Beispiel. Ich hab irre
Schiss davor, im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt schönere
Urlaubserinnerungen, als die, mit nacktem Hintern in Sichtweite einer Gruppe
Menschen zu hocken, mit der man den ganzen Tag an einem Seil hängt; und ich
weiß, wovon ich rede! Über solchen Scheiß denkt man nach, wenn man wach liegt und
auf den Abmarsch wartet. Ich überschlage den Schokoladenkonsum der letzten
Tage. Hoffentlich reicht das für die nächsten 14 Stunden.
Zwölf Stunden sind für Auf- und Abstieg geplant. Von
Pastuchov bis zum Gipfel 1000 Höhenmeter, Start bei 4700 Meter, Ende bei 5642
Meter. Schade, dass Jewgeni gestern schon oben war. Ein zweites Foto mit ihm am
Gipfel, das wäre doch klasse gewesen. Kurz vor ein Uhr, jetzt reichts mir, ich
stehe auf. Andrea ist auch wach, kurzer Abschied, ich schnappe meine
Habseligkeiten und verschwinde.
Wohnheim für Pistenraupenpiloten |
Frühstück bei Galina
Es ist kalt, sagen wir angenehm kalt. Ich schätze
vielleicht zehn Grad unter null, vielleicht auch zwölf, ein Thermometer gibt’s
hier nicht. Sternenklarer Himmel, Richtung Pastuchov ziehen die Lichterketten
der frühen Gruppen. Wer da oben zeltet hat es ohne Frage näher.
Galina wünscht mir einen guten Morgen, na danke! Mein
Haferbrei ist schon heiß, das Lunchpaket gepackt, ich tune es ein wenig mit
herumliegenden Schokoriegeln. Kaum vorstellbar, aber es gab eine Zeit, da
wollte ich auf Schokolade komplett verzichten. Wir sind nun zehn Tage in
Russland und vielleicht liegts an der russischen Schokolade: Mein Russisch ist
wieder auf einem Niveau über Guten Tag Gute Nacht angekommen. Und so bilde ich
mir ein zu verstehen, dass Galina selbst Marathonläuferin ist. Wir quatschen
ein wenig, doch ich bin zu nervös, um mir etwas zu merken und mir Notizen zu
machen.
Mahlzeit |
Ob ich´s tatsächlich hoch geschafft hab, erfahrt Ihr nächste Woche
Euer Olaf