Morgens um drei Uhr im Kaukasus |
Heute ist also DER Tag, heute geht es auf den Gipfel!
Punkt zwei Uhr schälen wir uns aus den Kojen. Wir hatten vorsorglich Schnarcher
und Nichtschnarcher getrennt und trotzdem keinen Schlaf gefunden: Die vergangenen
Stunden rüttelt ein Sturm an den Botchis, irgendeiner musste immer mal raus zum
Pinkeln oder sich im Schlafsack herumwälzen.
Auf dem Herd dampft der Haferbrei, Galina begrüßt uns herzlich. Wir kauen und sind aufgekratzt. Der Sturm hat sich verzogen und einem frostklaren Sternenhimmel Platz gemacht. Es wird uns nicht so gehen wie den Gruppen von Gestern, die wegen Sturm auf halber Strecke abbrechen mussten. Doch noch sind wir nicht oben.
Start mit Handicap
Meine Frau hat es besonders schwer
erwischt, sie leidet seit Tagen an Darmproblemen und durfte jede Nacht mehrfach
auf die hinlänglich beschriebenen Örtlichkeiten.
Auf dem Herd dampft der Haferbrei, Galina begrüßt uns herzlich. Wir kauen und sind aufgekratzt. Der Sturm hat sich verzogen und einem frostklaren Sternenhimmel Platz gemacht. Es wird uns nicht so gehen wie den Gruppen von Gestern, die wegen Sturm auf halber Strecke abbrechen mussten. Doch noch sind wir nicht oben.
Aufsitzen!
Dann geht alles ganz schnell. Rüsten, packen, aufsitzen. "
Guys, Guys, Guys!" Die Pistenraupe röhrt auf, Sultan, unser Fahrer, gibt
Gas. Und los geht’s. Die Stimmung ist etwas unwirklich. Gut eine dreiviertel
Stunde Fahrt durch absolute Finsternis bis zu den Pastuchovfelsen. Die Kälte ist spürbar, deutlich! Ich
sitze direkt am Auspuffrohr, wie herrlich! Wir fahren an unzähligen Gruppen
vorbei, die den Aufstieg von unten direkt angehen. Langsam, Schritt für
Schritt, ziehen sie hinauf. Ihre Stirnlampen reihen sich zu Lichterketten. Wenn
wir hoch zum Gipfel schauen, sieht es ein wenig aus wie eine Autobahn bei
Nacht.
Im Sommer mehr ein Taxi: Pistenraupe bei Tag. |
"Guys, Guys, Guys!" Oleg treibt uns von der
Pistenraupe runter. Wer kann und muss, pinkelt nochmal in den Schnee. Dann
steigen wir im Zickzack auf. Oleg an der Spitze, der deutsche Bergführer und
Alexej am Ende. Andrea geht vor mir. So hab ich sie im Blick und sie sieht mich
nicht. Es ist besser, wenn sie sich auf sich selbst konzentriert und nicht
ständig auf mich achtet. Mir schwant da was. Der Durchfall und die Höhe, es war
bisher keine Idealvorbereitung. Im Moment jedoch sieht es gut aus, sie hält mit
und wir steigen weiter. Immerhin sind wir schon fast bei 4900 Meter.
Sonnenaufgang auf 5000 Meter
Inzwischen
zieht sich ein hellblaues Band die Flanke des Berges hinauf, gegenüber sind die
Gipfel Georgiens schon rosa angestrahlt. In der Ferne beginnt der Tag, und wir
dürfen es von hier oben aus schon sehen. Weiter. Väterchen Frost beißt uns ins
Gesicht. Über uns ist die verreckte Pistenraupe zu sehen, irgendwann hier oben
liegengelassen und heute erster Pausenstopp für alle Bergsteiger. Ich mache mir
Sorgen um Andrea. Sie ist deutlich langsamer geworden, hat eine Lücke in die
Gruppe gerissen. An einer Kehre unseres Zickzackkurses bleibt sie stehen und
stützt sich auf ihre Stöcke, den Oberkörper weit nach vorn gebeugt, den Kopf
tief gesenkt. Wir sind bei 5000 Meter und sie atmet schwer. Ich weiß, hier ist
Schluss. Ihr ist schwarz vor Augen, der Magen dreht sich um und die Beine sind
weich, es geht nicht weiter.
Besser gesund unten als tot oben
Wir stehen da, während die Gruppe weitergeht.
Unser deutscher Bergführer und Alexej stehen bei uns. Andrea laufen die Tränen
unter der Skibrille durch, sie hat Mühe sich auf den Beinen zu halten,
schwankt. Alexej könnte mit ihr absteigen und ich könnte weitergehen. Wir
müssen das jetzt und sofort entscheiden. Inzwischen sind die Berggipfel ringsum
rot erleuchtet. Der Elbrus, unser Ziel, ist in zartrosa getaucht. Man könnte
Stunden mit diesem Anblick verbringen, aber es gibt kein Stillstehen am Berg.
Wir werden zusammen abzusteigen. Alexej bleibt bei der Gruppe und ich bleibe
bei meiner Frau. Gemeinsam haben wir uns für diese Tour entschieden, gemeinsam
brechen wir sie ab. Es wäre jedoch eine Lüge zu sagen, ich sei ohne Wehmut
abgestiegen.
Ob ich es dabei bewenden ließ, erfahrt Ihr demnächst
Euer Olaf