Foto: Zbulo.org |
Vom Hajla, mit 2403 Metern einem der höchsten Berge des
Kosovo, steigen wir nach Drelaj ab, zu Ilir und Xhevdet, die mit Tochter und
Eltern in einem recht neuen Haus wohnen. Beide sind Gastgeber der ersten
Stunde, bieten schon seit Jahren Unterkunft und vervielfachen dadurch ihr
karges Einkommen.
Wer im Prokletjegebirge wohnt und Arbeit sucht,
findet diese höchstens auf dem eigenen Hühnerhof. Industrie? Kennt man aus dem Fernsehen! Handwerk? Selbst
ist der Mann! Der Weg in die nächste Stadt? Stunden mit dem Auto, wenn man sich
eines leisten kann das die Piste dorthin bewältigt ohne in Einzelteile zu
zerbrechen.
Nie besser gegessen!
Das kleine separate Gästehaus ist pikobello sauber, mit viel handwerklichem Geschick und wenigen
Mitteln errichtet, es gibt sogar die Möglichkeit warm zu duschen. Trotzdem:
alles ist sehr, sehr einfach, mit Alpenhütten nicht zu vergleichen! Das Essen
ist allerdings auch unvergleichlich: Die Mahlzeiten sind großzügig bemessen, es
gibt sogar Maispolenta. Man müsste die Gastgeber mal nach Allergien fragen,
hier oben gibt’s keine Pestizide und keinen Kunstdünger. Tütensuppen,
Fertiggerichte, Glutamat, Hefeextrakt, künstliche Aromen, Farbstoffe,
Emulgatoren, Konservierungsstoffe? Wo sich in Deutschland eine ganze Armee an
Verbraucherschützern profilieren kann, führt im Kosovo allein die Abwesenheit
von Asphalt und Beton zu gesundem Essen. Ilir und Xhevdet haben alles selbst
angebaut, geerntet und liebevoll zubereitet.
Harte Arbeit
Zu den Mahlzeiten werden alle
verfügbaren Tische und Stühle aus dem Haus geräumt. Es mag uns Touristen
schmecken, und natürlich heben wir den Zeigefinger: Geht doch! Warum ist das in
Deutschland nicht möglich? Doch wenn wir ehrlich sind: Wer will für solch eine
Tafel zwei Tage in der Küche stehen? Wer will das ganze Jahr über im Garten
ackern und sich tagaus tagein um Vieh und Hof sorgen? Was für uns wie Idylle
aussieht, weil wir jederzeit in unser Vollkaskoleben zurückfliegen können, ist
ein Leben hart am Rande der Erschöpfung. Seltsam nur, dass wir in Albanien
weniger hängende Mundwinkel sehen als in Deutschland.
Die verkaufte Braut
Diese Gegend ist so abgelegen, dass selbst die Liebe den
Weg nur mit Bergführer findet. Es heißt, montenegrinische und serbische Bauern
kommen nach Albanien um fleißige Frauen zu „kaufen“. Da kocht natürlich unsere
Zivilmoral hoch und es fällt schwer, nicht sofort mit den üblichen Klischees
über die Leute herzufallen. Da ist zum Beispiel Alexandra, eine schlanke und
schüchterne Frau, die mit Ende Zwanzig noch immer ihren Eltern auf der Tasche
liegt. Im letzten Winter war sie mit ihrer Familie drei Monate im Dorf
eingeschneit und im Sommer kniet sie im Garten und legt Kartoffeln für genau
diese Winter.
Moral oder Hilfe? Was bringen die Touristen?
Seit Krieg und Wirtschaftskrise sind alle einigermaßen
brauchbaren männlichen Heiratskandidaten ins Ausland verschwunden um Geld zu
verdienen und ihre Familien zu unterstützen. Für Alexandra ist es schier
unmöglich neue Kontakte zu knüpfen. Kinobesuche, Kaffeehausbesuche, Disco,
Restaurants? Fehlanzeige. Der Weg in die Stadt oft über Wochen überflutet oder verschüttet.
Immerhin, lacht sie, sie könne gut backen – vielleicht backe sie sich
irgendwann einen Mann!
Foto: Misch |
Keine Kreuzfahrt
Wir wohnen nicht in einer umzäunten Hotelanlage, wir
schlendern nicht auf einem bunt angemalten Basar umher. Wir sind mitten drin im
Leben dieser Menschen, am Rande eines Europa das den Kosovo befreite und dann
liegen ließ. Es dauert einige Zeit die eigene Klugscheißerei abzustellen, aber
es lohnt sich. Der Blick in die Härte des albanischen Alltags erspart manch
eigenes Gebet.
Eine tolle Arbeitswoche wünscht
Teil 6: Müllberge
Auch lesen: Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5