Vorurteile sind für Reisende wie Gitterstäbe für
Gefangene: Sie sperren ihn ein. Kommentare vor diesem Urlaub: Nahkampfkurs
gebucht? Minensuchgerät eingepackt? Seid ihr wahnsinnig? Dort ist Krieg, oder?
Kommen da nicht die ganzen Verbrecher her?
Aber wir wollten eben keine Kreuzfahrt!
Dreck und Freiheit
Unsere Tour durch die verwunschenen Berge im Norden
Albaniens, das Prokletijegebirge, begann am Flughafen Wien. Wir verlassen den
Schengen-Bereich und sind schon mittendrin im Balkan. Auch ohne Vorurteile ein
komisches Gefühl, zugegeben. Dass wir jedoch genau dies nach unserer Rückkehr
vermissen werden, erzähle ich erst am Ende des Berichtes.
Wir landen in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo, auf
einem nagelneuen Flughafen. Unser Fahrer Rusha würgt die Reisetaschen in den
VW-Bus und los gehts.
Der erste Eindruck vom Kosovo: Staub und Millionen
weggeworfener Plastikflaschen und Bierdosen am Straßenrand oder in den
Flussbetten. Weiter nach Peja. Auf dem Boulevard spielen Mädchen in Bikinis
Volleyballtourniere – in einem muslimischen Land!
Die Rugovaschlucht
Wir wechseln auf einen robusteren Iveco und wissen bald
warum. Die Fahrt durch die Rugovaschlucht raubt uns den Atem und staucht uns
den Rücken, es ist ein Abtauchen in eine archaische Landschaft, Felsmassive für
die Ewigkeit drängen auf uns ein. Welcher Wandel! Eben noch besuchten wir ein
serbisches Frauenkloster, eine Oase aus Grün und Luft, und nun diese Macht aus
Stein um uns herum. Nach und nach verschwindet der Plastikmüll.
Rangieren auf albanisch
Was sich Asphalt nannte, weicht einer Piste aus Kratern
und Felsstücken. Rechts geht’s bergab ins Nichts. Jeder Forstweg in den Alpen
ist eine Autobahn dagegen. Bei Gegenverkehr gilt, der Kleinere fährt rückwärts
so lang es eben geht. Dann wird rangiert und die eine oder andere Höflichkeit
ausgetauscht, gelacht, gewunken und weitergefahren. Nur uns ist weniger zum
Lachen, wir schauen aus den rechten Seitenfenstern und versuchen sehr still zu
sitzen. Die Fahrerqualitäten von Rusha und den anderen Jungs werden uns noch
öfter beeindrucken, denn bis jetzt ahnen wir nicht, was die tatsächlich so
drauf haben. Für uns mag es eine Leistung sein, bei diesen Straßen gesund von A
nach B zu kommen.
Für Albanien und das Kosovo liegt die große Leistung wohl
darin, dass unserer Fahrer Serben und Albaner sind, orthodoxe Christen und
Muslime, Kriminalbeamte mit Nebenjob und ehemalige UCK-Kämpfer, so wie Rusha.
Und dass sie ihre Arbeit gemeinsam tun, in Frieden.
Olaf
Nächsten Montag in Teil 4: Anstandsregeln auf albanisch, der Berg ruft
Auch lesen:
Teil 1 - John Wayn auf der Alm
Teil 2 - 1500 kg Blaubeeren und kein Burn out