Mustafa - Foto: Zbulo.org |
Reka e Allages, das Gästehaus von Mustafa und Fetija,
liegt an eine Alm geschmiegt im Hochland des Kosovo. Der Ausblick von der
Terrasse macht jeden Bergsteiger nervös. Ein Separé mit 6 Betten in das wir uns
verdrücken, die anderen Gäste schlafen im Haus. Unser kleines Blockhaus atmet
aus jeder Ritze den Traum von einem bescheidenen Einkommen und einem Leben im
Frieden. Alles ist so peinlich sauber, man hört förmlich den Schrubber am
Boden kratzen.
Gastfreundschaft pur
Aus dem Abendessen im Freien wird leider nichts, es
regnet. Also räumen die Gastgeber ihr Wohnzimmer und ihre Küche und wir nehmen
dort Platz, mit 17 Personen! Zum Essen: Wann haben Sie zuletzt eine Mahlzeit
eingenommen, deren Zutaten Sie komplett im eigenen Garten gesät, gegossen,
gejätet, gedüngt, gezogen, geerntet, gefüttert und geschlachtet haben? Eine
Mahlzeit deren einziger Verpackungsmüll aus Eierschalen besteht? Allein Bier
lässt sich noch nicht in Weizenbrot transportieren. Und so sind die leeren
Pejaflaschen alles, was wieder zurück ins Tal transportiert werden muss. Wir
essen nicht auf, es ist viel zu viel, der albanische Wettergott wird uns dafür
am nächsten Tag mit einem grandiosen Gewitter belohnen.
30 Kühe und kein Busfahrplan
Fetija und ihre Kinder rennen sich die Hacken wund und lachen,
wenn es uns schmeckt. Gefüllte Paprika, Weißbrot das den Namen noch verdient,
Tee, Kaffee, Salat, Käse aus eigener Herstellung. Mustafa hält 30 Kühe, die im
Winter bei seinem Bruder bleiben, er selbst zieht mit seiner Familie ins Tal;
die Piste hier hinauf ist im Sommer eine Zumutung und im Winter unpassierbar,
die Kinder könnten keine Schule besuchen. Wer hier oben lebt, schenkt sich das
Marathontraining, allein zur nächsten Bushaltestelle geht man 3 Stunden. Wir
gehen heute aber nur noch ins Bett.
Zum Glück schlaflos
Wer nachts raus muss um das Klo zu besuchen, schaut auf
zu einem Sternenhimmel, wie er Zuhause
höchstens zu sehen wäre wenn man allen Kraftwerken den Stecker zieht.
Unwillkürlich streckt man die Hände zur Milchstraße aus, so nah scheint sie,
all die Götter der alten Zeiten lächeln auf dich herab.
Am nächsten Morgen sitzen wir in der Sonne und schauen
auf die Berge die nun unsere Ziele sein werden. Unsere Gastgeber sind von
beschämender Herzlichkeit. Krieg und Not haben Spuren in ihr Leben gegraben,
wir müssen wie Wesen aus einer anderen Zeit auf sie wirken.
Für ein die Kinder
Für Mustafa, Fetija
und ihre Kinder sind wir Touristen der Schlüssel zur Zukunft. Ihr Leben ist
reich an Entbehrungen und Verzicht, an Rückenschmerzen und müden Füßen. Ihr
Leben ist arm an Luxus und süßem Zeitvertreib, an schnellem WLAN und
Blogbustern. Aber ihr Leben ist angefüllt mit Liebe zu ihrer Arbeit und ihren Gästen. Das fühlt man, das schmeckt man, das verblüfft uns zuweilen.
Foto: Misch |
Abschied mit Augenjucken
Für uns wird es Zeit aufzubrechen, und so stellen
wir uns auf für den Abschied. Jeder von uns umarmt die ganze Familie, bis hin
zur Oma. Es ist für unsere Gastgeber ein wichtiger Teil des Lohns für diese
Tage des Kochens, Backens und Putzens. Ganz plötzlich begreife ich, dass man
ohne Geld schlecht, aber ohne Freundschaft gar nicht leben kann.
Beim Aufstieg ins Gebirge drehe ich mich um und schaue
zurück. Weit unter uns steht die ganze Familie und winkt uns nach, bis wir
hinter der ersten Anhöhe verschwinden. Das bricht mir ein klein wenig das Herz,
doch erst auf der Rückfahrt zum Flughafen werde ich endgültig begreifen, dass
man Albanien nur mit gebrochenem Herzen verlassen kann.