Schon Urlaubspläne für 2017? Wie wäre es mit einer Hochgebirgstour durch Kosovo, Albanien und Montenegro? Die Menschen dort hätten es verdient! Ein Reisebericht Teil 1

Von Valbona aufwärts. Foto: Misch



John Wayne besitzt natürlich kein Handy und keinen Laptop. Trotzdem lauert er uns mitten im Wald auf, etwa eine Stunde vor der Schäfersiedlung Balqin, die wir gegen Mittag passieren wollen. John Wayne hat Verstärkung mitgebracht, Ali, seine linke Hand. Johns rechte Hand ist schon vergeben, an einen Knüppel auf den er sich cool stützt, denn John Wayne hat eine Wunde am Bein und hinkt mit einem gewissen Stolz neben uns her.


Veganer, Blaubeeren und verkaufte Frauen

Wie beginne ich den Bericht über unsere Hochgebirgstour in Albanien? Nur Narren pressen eine Geschichte zwischen zwei Flughäfen. Erzähle ich, wie es ist, zu viert in einem Bett zu schlafen? Erzähle ich zuerst von Blutrache und der Kulla – jenem Turm in dem Mörder Zuflucht fanden? Langweile ich mit Bildern von Landschaften, so biblisch schön, dass man hinter jedem Felsen einen Wegweiser mit dem Wort „Paradies“ erwartet? Erzähle ich davon, dass man im albanischen Hochland als Veganer auf seine Kosten kommt? Oder berichte ich zuerst von „verkauften“ Frauen, von Fetakäse auf Almen, von Raki aus Colaflaschen, von  Blaubeeren, von Müllbergen, von Grenzbunkern oder  von der nicht ganz ernst gemeinten Aufforderung, uns entführen zu lassen? Nein, aber das kommt alles noch.  Beginnen will ich mit John Wayne, jenem 11-jährigen Bengel der das Spiegelbild dieser ganzen Reise ist: Frisch, ehrlich, voller Mut und Lebensfreude.

Frech wie Oskar




Vergeben ist  John Waynes Herz: an die Frauen in unserer Wandergruppe. Sein englischer Wortschatz umfasst 7 Wörter: How old are you? Whats your name?  So fragt er frech wie Oskar jede Frau in unserer Gruppe. Dabei dreht er lässig die Zigarette die hinter seinem Ohr klemmt. Die Antwort kommentiert er mit einem Fingerzeig auf seine Brust: John Wayne! Leider werden wir nie erfahren, welche Frau aus unserer Gruppe er erwählt hat. Von den letzten Hügeln aus erspäht er seine Mama, verbirgt die Zigarette in der Hosentasche und hinkt laut rufend voran, um uns, seine legitime Beute, anzukündigen. Sommerferien in Albanien, und John Wayne lebt wie ein Apache im Hochgebirge  – wild, frei, fleißig und …. arm.
Langsam folgen wir ihm. Als wir den Eichenwald verlassen, liegt unter uns eine Alm, und darauf das Sommerlager der Albaner. So stellt man sich ein Indianerlager vor: Rauch steigt aus Lagerfeuern auf, ein paar Pferde galoppieren den Wolkenschatten nach. Flache Hütten, Schafherden, wie im Kino.

Schäfersiedlung Balqin. Foto: Misch
 

Idylle oder Arbeitsplatz?

Die Sommerhütten sind etwa die weiterentwickelte Variante dessen, was wir als Kinder früher im Wald gebaut haben. Gestampfter Boden, aufgeschichtete Steinbrocken, ein Dach aus Planen. Es ist eine der größeren Siedlungen, etwa 10 Familien leben und arbeiten hier, denn das Lager ist nicht Sommerfrische sondern Arbeitsplatz. Natürlich werden wir von Johns Mutter als Gäste begrüßt, sitzen bald vor der Hütte und werden mit Tee, Raki und Käse bewirtet. Ein pensionierter Arzt aus unserer Wandergruppe behandelt Johns Bein und Ali fragt nach dem Zauberer. Ricardo, unser Reiseleiter, lacht: Heute kein Zauberer. Eine Wandergruppe vor uns, wußte jemand die Kinder mit Zaubertricks zu erstaunen. Der Sommer im Gebirge ist nicht gerade reich an Attraktionen, er ist reich an Arbeit. Trotzdem müssen wir beim Abschied den Kindern das Geld für Tee und Käse heimlich zustecken, die Erwachsenen lehnen jede Bezahlung für Gastfreundschaft strikt ab...



... bis nächste Woche, Olaf



Im Teil 2: Blaubeeren und Hustensaft, eine Datscha in den Bergen

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